Der Februar ist grau und nass, wir verbringen überproportional viel Zeit auf der
Couch und beschäftigen uns vorzugsweise mit stimmungsaufhellenden
Tätigkeiten wie Fotobücher erstellen oder Urlaube planen. Beides hat mich
daran erinnert, dass ich noch die Fotos von unserem letztjährigen Roadtrip in den
sonnigen Süden schuldig bin. Und wann wäre die Zeit besser als jetzt, im
grauen, nassen und endlosen Corona-Februar, nicht wahr?
Planungstechnisch war der letzte Sommer ja durchaus nochmal herausfordernd - wir
wussten, wir wollten mal wieder Kilometer mit dem Wohnmobil machen. Aber wohin,
das war die Frage - eigentlich bis zum Tag vor der Abfahrt. Die Bretagne und
Süditalien waren am Ende noch in der engen Auswahl - dort waren die Coronazahlen
niedrig und die Gegenden sind ideal für spontane Roadtrips. Der Ausschlag gab am Ende,
etwa zwölf Stunden vor Abfahrt, ganz profan das Wetter! Nichts gegen Bretagnewetter,
aber wir hatten seit Wochen Bretagnewetter und irgendwann ist auch mal gut.
Italien und mich verbindet ja eher eine Hassliebe - zu warm, zu laut, zu voll.
Aber halt schön. Schwierig. Um "laut" und "voll" zu umgehen, beschlossen wir,
uns möglichst weit in den Süden zu bewegen. Besser zu heiß als zu voll.
Wir packten also die Wohnbüchse unter Zurücklassung von Hoodies und Jeans
und machten uns spätnachmittags auf eine 1500-Kilometer-Südwärts-Etappe
mit Grobziel Apulien. Zur blauen Stunde waren wir in Straßburg, die erste Nacht
verbrachten wir in Kehl am Wasserturm. An nächsten Tag durchquerten wir die
Schweiz und schlugen unser Nachtlager auf dem bereits bekannten halblegalen
Stellplatz am Comer See auf. Dort ging im Verlauf der Nacht mal wieder die
Welt unter, wie eigentlich absolut IMMER, wenn wir dort übernachten.
Traditionen, so wichtig! Nach zwölf Stunden Dauergewitter machten wir,
dass wir weiterkamen ;-)
Die nächsten beiden Tage führten uns quer durch die Emilia-Romagna bis an die
Adria. Wir machten einen Abstecher nach Ascoli Piceno, wo es einen netten
Stellplatz mitten in der Stadt gab, was ja eher selten ist. Vor 30 Jahren war ich zwei
Wochen lang zum Schüleraustausch in Ascoli und habe dieses Städtchen in den
Marken lieben gelernt. Seitdem war ich nie wieder dort, wurde also Zeit. Wir
schlenderten durch die Gassen, aßen lecker zu Mittag und ich überwand sogar mein
Ascolanisches-Oliven-Trauma. Was haben wir früher unter den Dingern gelitten, die
sich riesig und kalt in jedem Proviantpaket fanden und uns dreimal täglich als
tollste Spezialität der Stadt angeboten wurden! Riesige, panierte Fettklumpen, die
sich ganz schlecht unauffällig verschwinden ließen. Tjanun. Diesmal, oh Wunder,
waren sie ganz lecker. Eigentlich sogar sehr lecker. Eventuell lag es daran, dass
sie diesmal heiß serviert wurden. Und dass ich Oliven mittlerweile echt gerne
esse, könnte natürlich auch geholfen haben... Heiß war es allerdings auch in
der Stadt und das nicht zu knapp, deswegen suchten wir uns für die kommende
Nacht wieder einen Platz am Wasser und fanden einen netten kleinen
Stellplatz im Schatten eines mittelalterlichen Turmes im Molise,
in der Nähe von Termoli.
Dieser Platz direkt an einem wilden Strand voller Treibholz (wir haben sehr viel
davon mitgenommen, Props an die große Heckgarage!) war so schön, dass wir
dann auch gleich zwei Nächte blieben und mal so ordentlich chillten. Der Mann und
die Kinder am Wasser im Sand, wo absolut niemand war außer uns - und ich in
meinem Liegestuhl oben am Camper. Traumleben! Heiß war es allerdings immer noch...
... und das wurde auch nicht besser, als wir uns noch weiter Richtung Süden bewegten.
Wer hätte das gedacht ;-) Wir erreichten Apulien und machten als erstes Station in Bari.
Die Stadt haben wir schon zweimal als Kreuzfahrer besucht und jedesmal hatten
wir uns fest vorgenommen, mal auf anderem Wege und etwas länger in die Gegend
zurückzukommen. Die Stadt ist ein Traum - umso mehr, wenn sie nicht überlaufen
von Tagestouristen ist. Überhaupt waren so weit unten im Süden kaum noch Touristen
unterwegs und die Italiener ausgeflogen, immerhin hatten wir beinahe schon August.
Es war also überall erfrischend leer.
In den Tagen darauf erreichten wir den südlichsten Punkt unserer Reise. Dort unten,
rund um Monopoli, ist die Küste wild und das Angebot an offiziellen Stellplätzen rar.
(Selbst Campingplätze direkt am Meer gibt es selten, und die meiden wir ja eh, wo es
geht. Generell, aber in Italien nochmal besonders, dort ist das Animationslevel
einfach sehr außerhalb unserer Komfortzone ;-) Wir programmierten also den einzigen
Stellplatz weit und breit ein, weit ab von allem, bewegten uns aber weiter hart an der
Küste - und fanden dann einfach diesen Ort... Ein felsiger Kraterparkplatz direkt am
Meer, wo schon zwei/drei andere Wohnmobile für die Nacht standen. Ein Traum mit
direktem Blick auf Polignano a Mare. Genau das ist der Grund, warum wir auf unseren
Reisen immer darauf achten, dass das Klo leer und die Wasser- und Stromvorräte
hoch sind - damit wir solche autarken Traumplätze nicht ungenutzt vorbeiziehen
lassen müssen... Und überhaupt: Polignano! Auch hier waren wir schon mal
im Vorbeifahren und ich hatte mich Hals über Kopf in dieses weiße, enge
Städtchen auf den Felsen verliebt. Jetzt Tag und Nacht dort stehen und
draufgucken zu können, war ein echtes Geschenk.
Inzwischen hatte es übrigens auch nachts deutlich über 30 Grad -
"gefühlt 38" behauptete die Wetter-App - und es wehte ein teilweise kräftiger
Wind. Zum Glück! Aber es war ein bisschen wie in der Heißluftfritteuse ;-)
Dem Mann macht das nichts und den Kindern wenig, aber ich habe
dort unten doch die ein oder andere Nacht in der offenen Wohnmobiltür
verbracht, dem Meer zugehört und einen ganzen Stapel (digitale)
Bücher weggelesen. Komischerweise macht mir sowas im Urlaub ja
nichts aus. Und wir waren ja schon fast auf der Höhe von Griechenland,
anderes Wetter war also nicht zu erwarten gewesen.
Alles Einstellungssache ;-)
Ich war mir sehr, sehr sicher, dass Polignano das schönste Ziel unserer Reise bleiben würde,
aber tatsächlich hat mich Monopoli einen Tag später schon eines Besseren belehrt,
das war nämlich genauso schön. Mindestens! Das hatte schon sehr deutliche
Griechenland-Vibes dort und am Hafenbecken wäre ich gerne einfach ein paar
Tage lang sitzen geblieben... Wir entschieden uns aber doch irgendwann zur
Weiterfahrt. Leider, denn die Fahrt raus aus Monopoli, so entschied unser
Navi, wäre der ideale Moment für seinen traditionellen Süditalien-Aussetzer.
Dabei hatten wir den letzten doch erst halb verdaut... Und so navigierte es uns
trotz der LKW-Einstellung, die wir sicherheitshalber immer drin haben, in
die engen Gassen der Altstadt - Sträßchen so breit wie das Wohnmobil, hohe
Bordsteinkanten, rechtwinklige Abbiegungen, Balkone auf Alkovenhöhe und
am Ende noch eine Sackgasse mit Baustelle. Ich war schon lange zu Fuß
unterwegs, immer ein paar Schritte dem Wagen voraus, und trotzdem haben
wir es nur einem Mountainbiker aus Dortmund zu verdanken, der
seine Eltern besuchte, zufällig vorbeikam und uns einen leidlich
machbaren Weg aus dem Labyrinth wies, dass wir nun nicht den
Rest unseres Lebens im Wohnmobil am Ende einer Sackgasse in
Monopoli verbringen müssen....
Danke für diesen schönen Bericht. Das tut so gut, bei dem ganzen grau gerade.
AntwortenLöschenFreue mich schon auf die Fortsetzung.
Liebe Grüße Anne