Meine Oma wäre in diesem Sommer 90 Jahre alt geworden.
Ich glaube, diesen Geburtstag hätte sie noch gerne mitgenommen, auch wenn ich in den letzten Wochen durchaus den Eindruck hatte, dass sie bereit war, zu gehen.
Aber ich dachte ja auch, dass ich bereit wäre, sie gehen zu lassen......
Tja, falsch gedacht.
Dieses Foto ist vor 75 Jahren entstanden, hier bei uns im Dorf.
Gleicher Ort, völlig andere Welt....
Unglaublich, was meine Oma in diesen 90 Jahren alles erlebt hat.
An diesem Tag jedenfalls ging ein Fotograf durchs Dorf und machte Bilder von den Leuten, die er traf. Meine Oma bekam danach ziemlichen Ärger mit ihrem Vater, weil sie sich in ihrer einfachen, viellagigen und auch noch fürchterlich dreckigen Arbeitskluft fotografieren ließ - aber vermutlich mag ich das Bild genau deswegen fast am liebsten von allen.
Das wahre Leben eben ;-)
Alles, was ich übers Nähen weiß, hat mich meine Oma gelehrt.
Von klein auf schaute ich ihr zu, bekam irgendwann selbst Läppchen zum Üben und musste ganz klassisch erst mal von Hand nähen lernen, bevor ich an die Maschine durfte. Auftrennen gehörte zum Nähen wie das Stecken und Schneiden, denn das Ergebnis musste von links genauso schön werden wie von rechts.
Ein Gebot, das mir in Fleisch und Blut übergegangen ist, bis heute.
Am Wochenende habe ich spontan beschlossen, dass ich mir zur Beerdigung heute ein Kleid nähen werde, und zwar ein handwerklich einwandfreies. Ich fand, das war ich ihr schuldig.
Deswegen bin ich auch sehr stolz, just in diesem Moment hier zu sitzen und das perfekte Trauerkleid zu tragen. Voller Tränen und voller Erinnerungen.
Sehr stolz - und sehr traurig.
Meine Oma hat die letzten zwölf Jahre hier bei uns im Haus gelebt - in einer eigenen Wohnung zwar, aber doch immer da. Sie fehlt uns sehr.... Und doch bin ich der festen Überzeugung, dass es ihr da, wo sie nun ist, besser geht als in ihren letzten Tagen hier. Verstand und Herz - ich hoffe, die beiden raufen sich bald zusammen.....
Und das Kleid, das zeige ich Euch dann hoffentlich morgen ;-)