9. Februar 2021

Heute vor einem Jahr

 ... waren wir zum letzten Mal in München beim Fußball.

Eine magere Nullnummer gegen RB Leipzig, das Spitzenspiel, Bayern 
hatte einen Punkt Vorsprung auf RB. Vor und nach dem Spiel.

Es war eine Sonntagabend-Partie, weswegen wir beinahe nicht gefahren wären.
Zuhause drohte Orkan Sabine, die Kinder waren allein zuhause und mussten
am nächsten Morgen in die Schule. Eventuell. Vielleicht. Auf der Fahrt nach
München ploppten im Minutentakt die Warnmeldungen und Schulabsagen auf dem 
Handy auf, was spooky war, denn wir fuhren durch allerschönsten bayrischen Sonnenschein.
Und natürlich musste der Mann montags eigentlich arbeiten.

Zum Glück sind wir gefahren.


Wenn man sich heute meine instagram-Bilder von diesem Abend anschaut, dann
ist das wie der Blick in ein anderes Leben. Ein fremdes Leben. Ein Jahr? 
Es fühlt sich an wie zehn. Mit der Tram vom Hotel zum Stadion. Schulter an Schulter. 
Fünfundsiebzigtausend Menschen auf einem Fleck. Trubel, Geschrei, die bebende 
Tribüne unter den Füßen, den Atem des Hintermanns im Genick.
Für mich als latente Sozialphobikerin sind Stadionbesuche ganz weit außerhalb
meiner Komfortzone, aber ich genieße jede Sekunde, wenn ich dort bin.
Ich darf halt nur nicht weiter drüber nachdenken ;-)
Über den Rückweg schrieb ich hinterher auf Twitter: "Wir stehen in der Tram,
die Ordner haben ganze Arbeit geleistet, es ist so eng, dass man nicht mal mehr
mit dem kleinen Finger wackeln kann. Weiter hinten im Waggon singt jemand leise
"Corona, Corona". Leben am Limit."

Tja.

Ob ich irgendwann mal wieder entspannt im Stadion sitzen werde, auf ausverkauften
Rängen? Gerade kann ich es mir nicht vorstellen. So lange, wir wir jetzt schon
Abstand halten, ist mir das in Fleisch und Blut übergegangen - nicht zuletzt,
weil mir das durchaus entgegenkommt. Der momentane Corona-Abstand ist schon
in normalen Zeiten das, was ich mindestens zum Wohlfühlen brauche. 
Ich glaube auch nicht, dass es einen Weg zurück in das alte "Normal" gibt.
Es wird nicht irgendwann Puff machen, Corona verschwunden und 
alles so wie früher sein. Klar, es wird besser, es wird wieder gut, daran
glaube ich ganz fest - und trotzdem wird vieles anders bleiben.
Das "normale Leben" hat ja nicht einfach die Pause-Taste gedrückt,
wir sind und bleiben die Summe unserer Erfahrungen.
Und ganz sicher wird es eine ganze Weile dauern, bis ich wieder so
exzessiv unter Menschen gehen werde. Wenn überhaupt.

Aber: Das Stadion fehlt mir wie verrückt. 
Wer hätte das gedacht. Ich habe vor Freude fast geheult,
als die Bundesliga im Mai wieder aufgenommen wurde, als die 
Champions League im Sommer im Turniermodus ausgespielt wurde.
Und ja: Ich kann die Entscheidung, den Spielbetrieb aufzunehmen, 
schwierig finden, ich kann es sogar maximal bescheuert finden, momentan 
für Fußballspiele kreuz und quer durch Europa zu fliegen (oder
gar eine paneuropäische EM stattfinden lassen zu wollen!) - aber 
ich kann es den Vereinen auch nicht verübeln, dass sie ihren
Job machen, solange es ihnen niemand verbietet. Machen 
alle anderen ja schließlich auch.
Unpopular opinion, I know.

Aber mich hat das in den letzten Monaten sehr getragen, dieses
bisschen Normalität vor Geisterkulisse, zuhause im Wohnzimmer.
Und ich würde mir wünschen, dass uns wenigstes das noch erhalten bleibt. 
Sicher bin ich mir da nicht.
Die Mutationen lassen grüßen. 

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für den Beitrag, der mir sehr aus dem Herzen spricht.

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  2. Anderer Sport, andere Bälle - aber auch ich vermisse das Stadion wie verrückt (und Konzerte).
    LG Ilka

    AntwortenLöschen

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