"Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?"
Frau Brüllen fragt das an jedem fünften Tag des Monats und wer mag, schreibt fleißig mit.
Die übrigen WMDEDGT-Einträge findet Ihr wie immer hier.
6 Uhr: Der Wecker klingelt. Im Gegensatz zur letzten Nacht, die der Mann
und ich unfreiwillig schlaflos zu wesentlichen Teilen vor dem
Fernseher verbrachten, um Wahlergebnisse zu spotten, habe ich
tief und fest geschlafen. Erste Ernüchterung allerdings sofort beim ersten
Schritt aus dem Bett: Mein Freund, der Schwankschwindel, ist zurück.
Fast ein ganzes Jahr hatte ich jetzt Ruhe, sensationell lange,
aber nachdem ich beim ersten Schritt mit der Wand kollidiere und
beim dritten mit der Schulter schmerzhaft am Türstock hängen bleibe,
weil ich dachte, ich sei schon vorbei, ist alles klar. Verdammt.
Erst mal vorsichtig die Treppe runtertasten und die Seabands
raussuchen, davon wird einem nämlich auch schnell mal so richtig
schön schlecht. Danke Bandscheibe, my old hassfriend...
6.30 Uhr: Ein paar Nacken- und Kieferdehnungen später ist es
leider kein bisschen besser und die nächste Ernüchterung folgt
beim Blick aus dem Fenster. Es hat zum ersten Mal gefroren, waaah :(
Grundsätzlich schon kein Grund zur Freude, aber im Moment,
wo ich die Kinder coronabedingt jeden Morgen zur Schule fahre,
eher noch weniger. Kein Wunder, dass mein Genick muckt,
Kälte ist einfach mein Kryptonit. Bin ich jetzt in der Verfassung,
die Nachrichten zu checken? Eher nicht. Lieber erst mal
Kaffee und einen Pott Grießbrei für die Seele kochen...
7 Uhr: Mann und Missi sind auf und sogar die Große ist schon
aus ihrer Wohnung aufgetaucht - alle drei haben großen Redebedarf
bezüglich der Nachrichten. Ich eher weniger. Immer noch kein neuer
Präsident in den USA - aber zumindest immer noch Hoffnung -
und 20.000 Neuinfektionen, halleluja. Immerhin ist mir inzwischen
dank der Seabands nur noch schwindelig und nicht mehr schlecht, ein
Fortschritt. Die Kinder frühstücken, der Mann will noch schnell
auf dem Weg in die Firma mein Auto enteisen, findet aber
den Kratzer nicht. Hmpf. Ich packe Brotdosen und realisiere erst
beim Einpacken, dass die Große eigentlich auch ein
Mittagessen gebraucht hätte... Das. Wird. Mein. Tag!
Die Kinder muffeln rum, die schreiben gleich beide Tests
und Arbeiten und wollen doch eigentlich bloß endlich
wieder zuhause lernen. Die Büchse der Pandora, dieses
Homeschooling im Frühjahr, ich sag's Euch...
Außerdem sind ihre jeweils besten Freundinnen seit gestern in
Quarantäne (die Einschläge kommen näher...), das drückt auch
merklich auf die Stimmung.
(Vor allem, weil die beiden eigentlich genau die zwei
Kontakte waren, die die Kinder überhaupt noch außerhalb
der Schule gesehen haben :( Zum Glück war es einigermaßen
absehbar, und sie haben sich seit letzter Woche nicht mehr getroffen,
sonst würden wir jetzt auch schon hier zuhause zu viert die
Couch warmsitzen. Mal schauen, wie es wird, sollte auch
eins der Mädels positiv getestet werden, wovon ich jetzt einfach
mal ganz optimistisch nicht ausgehe.)
7.30 Uhr: Das Auto ist so zugefroren, als hätte es drei Wochen in einem
Eiskeller geparkt. Als ich endlich einsteige, muss ich erst mal
eine Weile die Augen schließen, um den Kopf zu sortieren. Im
Sitzen geht es aber gut. Morgens fährt nämlich nicht die Große, sondern ich,
weil die Kinder, je nach Staulage, auch schon mal spontan irgendwo aus dem
Auto springen müssen. Heute ist es aber ganz smooth, wir sind zeitig da,
sehr zum Leidwesen der Missi.
7.45 Uhr: Wieder zuhause entscheide ich mich, direkt vom Auto weg
eine Runde spazieren zu gehen. (Das ist mein fester November-Plan: Spazieren
statt Social Media, fürs Seelenheil ;-) Da ich die Ursache des Schwindels ja
kenne, weiß ich, dass Bewegung hilft, es ist halt nur schwierig.
Zu Beginn muss ich mich so enorm konzentrieren, die Spur zu halten,
nicht nach rechts wegzukippen und vor allem nicht zu stürzen, dass ich nach
dem ersten Kilometer Kopfschmerzen habe vom vielen Denken.
Beim Laufen übers Laufen nachdenken müssen, bis der Kopf platzt -
alles klar..... Dann wird es aber langsam besser, ich kann gucken und
genießen (und frieren), bloß den Fokus aufs Laufen muss ich
behalten, sonst wird es wackelig.
8.30 Uhr: Zuhause im Warmen. Erst mal einen Kaffee und den
Rest Grießbrei für mich. Im Sessel unter der Decke und mit den
Nachrichten. Aber ein kurzer Überblick muss reichen vor dem
entspannenderen Griff zum Buch.
9 Uhr: Weil das Sitzen so gut tut, bleibe ich einfach dabei, greife mir den
Laptop und arbeite ein bisschen Bürozeug weg. Und auch, wenn man
die Schwindelei im Sitzen vergisst, sollte man trotzdem nicht zackig
aufspringen, wenn das Telefon klingelt, sonst macht man sich lang *autsch*
War dann auch gar nicht die Apotheke mit dem lang ersehnten Grippe-
Impfstoff für die Kinder, sondern bloß der Mann. Sorry *g*, aber den
hätte ich auch fünf Minuten später noch zurückrufen können....
12 Uhr: Puh, nur gut, dass ich gestern so produktiv war, das
reißt den heutigen Tag ein wenig raus. Immerhin habe ich
aber den ganzen Bürokram erledigt, die Bügelwäsche aus
der Waschküche nach oben gebracht (seitdem stolpere ich alle
fünf Minuten genervt über den Korb, gute Voraussetzungen also,
dass ich das heute noch wegbügle!) und ein bisschen nett
mit Wolfgang Philippi geschrieben, denn das nächste
seiner wirklich legendären Stadtplakate wird Trier zum Inhalt haben
und darauf freue ich mich schon wie Bolle :)
Zwischendurch ein Anruf von der Missi, "Kannst Du mal bitte gucken,
ob Sport ("Sport" sind im Moment mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen
durch die zum Glück recht umfangreiche Natur rund um die Schule,
nicht selten bis vor unsere Haustür) ausfällt?" - "Öh nein, waru..." Zack,
aufgelegt. Sicher, war ja alles geklärt :-p
Danach stand eigentlich der Vorratsraum auf der Liste, aber dort
bin ich unglücklicherweise als erstes über zwei Lampions gestolpert,
die eigentlich schon seit gestern in unseren Fenstern hängen sollten,
als Ersatz für den nächste Woche ausfallenden Martinsumzug.
Ich bastele also recht improvisiert aus vorhandenem Material
eine Lama-Laterne sowie eine kleinere, optisch passende
und hänge beide auf. Und zack, schon ist es Zeit, das erste
Kind wieder abzuholen.
12.15 Uhr: Ich sammle die Missi und den Nachbarskumpel an der
Schule ein und lerne auf der Rückfahrt von eben diesem, dass "die
Schulen jetzt auf jeden!! Fall wieder geschlossen werden. Das weiß ich
sicher, das hat xy-Youtuber-keine-Ahnung-noch-nie-gehört gestern
erzählt, das hat nämlich die Bildzeitung geschrieben!!" Ich atme
tief und die Heimfahrt dauert dann noch exakt lange genug,
dass der Nachbarskumpel jetzt auch weiß, warum die Blödzeitung
keine seriöse Quelle ist, schon gar nicht in Verbindung mit
Youtube. Wat mut, dat mut ;-)
13 Uhr: Für die Missi finden sich zum Glück noch leckere
Reste von gestern im Kühlschrank und für mich eine
Tiefkühlpizza, die genau das ist, was ich heute brauche.
Ordentliches Essen gibt es dann nachher für die Große, das
arme mittagessenlose Kind... Jetzt erst mal eine ausgedehnte
Mittagspause für uns beide, bevor es weitergeht.
Ich habe noch ein Buch auszulesen.
15 Uhr: Die Missi macht Hausaufgaben und ich werde mal schauen,
ob ich vielleicht ein bisschen Laub im Garten wegschaffe. Das geht
auch ohne Bücken und die Sonne scheint inzwischen wie
verrückt. Muss man ja ausnutzen... Vorher aber schnell noch
mal die Nachrichtenlage checken (Wie lange zur Hölle kann man
brauchen, um Stimmen auszuzählen!?) und schauen, ob die
neuesten Zahlen vom Gesundheitsamt schon da sind. (Nein. Dauert
auch jeden Tag länger.) Seit gestern werden eh nur noch Übersichten
veröffentlicht, weil inzwischen so viele Schulen und Kitas betroffen sind,
dass sie nicht mehr einzeln aufgeführt werden. Aber Schulen sind ja keine
Treiber der Pandemie, danke für nichts.... Und passend dazu die
Tagesschau: "Deutlich mehr Fälle bei Schülern."
No shit Sherlock!
Die Große vermeldet in dem Zusammenhang, die 13er seien heute
coronabedingt komplett nicht anwesend gewesen, weswegen das
heutige Vor-Abi verschoben werden musste. Morgen kämen sie
aber alle wieder. Ja. Das klingt alles.... logisch.
:-) Du weisst warum, alles so ähnlich
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