5. November 2020

Tagebuchbloggen { 5. November 2020 }

 "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?"

Frau Brüllen fragt das an jedem fünften Tag des Monats und wer mag, schreibt fleißig mit.

Die übrigen WMDEDGT-Einträge findet Ihr wie immer hier.


6 Uhr: Der Wecker klingelt. Im Gegensatz zur letzten Nacht, die der Mann 

und ich unfreiwillig schlaflos zu wesentlichen Teilen vor dem 

Fernseher verbrachten, um Wahlergebnisse zu spotten, habe ich

tief und fest geschlafen. Erste Ernüchterung allerdings sofort beim ersten 

Schritt aus dem Bett: Mein Freund, der Schwankschwindel, ist zurück.

Fast ein ganzes Jahr hatte ich jetzt Ruhe, sensationell lange, 

aber nachdem ich beim ersten Schritt mit der Wand kollidiere und 

beim dritten mit der Schulter schmerzhaft am Türstock hängen bleibe,

weil ich dachte, ich sei schon vorbei, ist alles klar. Verdammt.

Erst mal vorsichtig die Treppe runtertasten und die Seabands 

raussuchen, davon wird einem nämlich auch schnell mal so richtig 

schön schlecht. Danke Bandscheibe, my old hassfriend...


6.30 Uhr: Ein paar Nacken- und Kieferdehnungen später ist es

leider kein bisschen besser und die nächste Ernüchterung folgt 

beim Blick aus dem Fenster. Es hat zum ersten Mal gefroren, waaah :(

Grundsätzlich schon kein Grund zur Freude, aber im Moment,

wo ich die Kinder coronabedingt jeden Morgen zur Schule fahre,

eher noch weniger. Kein Wunder, dass mein Genick muckt,

Kälte ist einfach mein Kryptonit. Bin ich jetzt in der Verfassung,

die Nachrichten zu checken? Eher nicht. Lieber erst mal 

Kaffee und einen Pott Grießbrei für die Seele kochen...


7 Uhr: Mann und Missi sind auf und sogar die Große ist schon

aus ihrer Wohnung aufgetaucht - alle drei haben großen Redebedarf

bezüglich der Nachrichten. Ich eher weniger. Immer noch kein neuer 

Präsident in den USA - aber zumindest immer noch Hoffnung -

 und 20.000 Neuinfektionen, halleluja. Immerhin ist mir inzwischen 

dank der Seabands nur noch schwindelig und nicht mehr schlecht, ein 

Fortschritt. Die Kinder frühstücken, der Mann will noch schnell

auf dem Weg in die Firma mein Auto enteisen, findet aber 

den Kratzer nicht. Hmpf. Ich packe Brotdosen und realisiere erst

beim Einpacken, dass die Große eigentlich auch ein 

Mittagessen gebraucht hätte... Das. Wird. Mein. Tag!

Die Kinder muffeln rum, die schreiben gleich beide Tests

und Arbeiten und wollen doch eigentlich bloß endlich

wieder zuhause lernen. Die Büchse der Pandora, dieses

Homeschooling im Frühjahr, ich sag's Euch... 

Außerdem sind ihre jeweils besten Freundinnen seit gestern in 

Quarantäne (die Einschläge kommen näher...), das drückt auch 

merklich auf die Stimmung.


(Vor allem, weil die beiden eigentlich genau die zwei

Kontakte waren, die die Kinder überhaupt noch außerhalb

der Schule gesehen haben :( Zum Glück war es einigermaßen 

absehbar, und sie haben sich seit letzter Woche nicht mehr getroffen,

sonst würden wir jetzt auch schon hier zuhause zu viert die

Couch warmsitzen. Mal schauen, wie es wird, sollte auch 

eins der Mädels positiv getestet werden, wovon ich jetzt einfach

mal ganz optimistisch nicht ausgehe.)



7.30 Uhr: Das Auto ist so zugefroren, als hätte es drei Wochen in einem

Eiskeller geparkt. Als ich endlich einsteige, muss ich erst mal

eine Weile die Augen schließen, um den Kopf zu sortieren. Im 

Sitzen geht es aber gut. Morgens fährt nämlich nicht die Große, sondern ich,

weil die Kinder, je nach Staulage, auch schon mal spontan irgendwo aus dem 

Auto springen müssen. Heute ist es aber ganz smooth, wir sind zeitig da,

sehr zum Leidwesen der Missi.


7.45 Uhr: Wieder zuhause entscheide ich mich, direkt vom Auto weg

eine Runde spazieren zu gehen. (Das ist mein fester November-Plan: Spazieren

statt Social Media, fürs Seelenheil ;-) Da ich die Ursache des Schwindels ja 

kenne, weiß ich, dass Bewegung hilft, es ist halt nur schwierig. 

Zu Beginn muss ich mich so enorm konzentrieren, die Spur zu halten,

nicht nach rechts wegzukippen und vor allem nicht zu stürzen, dass ich nach

dem ersten Kilometer Kopfschmerzen habe vom vielen Denken.

Beim Laufen übers Laufen nachdenken müssen, bis der Kopf platzt -

alles klar..... Dann wird es aber langsam besser, ich kann gucken und

genießen (und frieren), bloß den Fokus aufs Laufen muss ich

behalten, sonst wird es wackelig. 


8.30 Uhr: Zuhause im Warmen. Erst mal einen Kaffee und den

Rest Grießbrei für mich. Im Sessel unter der Decke und mit den

Nachrichten. Aber ein kurzer Überblick muss reichen vor dem 

entspannenderen Griff zum Buch.


9 Uhr: Weil das Sitzen so gut tut, bleibe ich einfach dabei, greife mir den

Laptop und arbeite ein bisschen Bürozeug weg. Und auch, wenn man 

die Schwindelei im Sitzen vergisst, sollte man trotzdem nicht zackig

aufspringen, wenn das Telefon klingelt, sonst macht man sich lang *autsch*

War dann auch gar nicht die Apotheke mit dem lang ersehnten Grippe-

Impfstoff für die Kinder, sondern bloß der Mann. Sorry *g*, aber den

hätte ich auch fünf Minuten später noch zurückrufen können....


12 Uhr: Puh, nur gut, dass ich gestern so produktiv war, das

reißt den heutigen Tag ein wenig raus. Immerhin habe ich

aber den ganzen Bürokram erledigt, die Bügelwäsche aus

der Waschküche nach oben gebracht (seitdem stolpere ich alle

fünf Minuten genervt über den Korb, gute Voraussetzungen also, 

dass ich das heute noch wegbügle!) und ein bisschen nett

mit Wolfgang Philippi geschrieben, denn das nächste 

seiner wirklich legendären Stadtplakate wird Trier zum Inhalt haben

und darauf freue ich mich schon wie Bolle :)

Zwischendurch ein Anruf von der Missi, "Kannst Du mal bitte gucken,

ob Sport ("Sport" sind im Moment mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen

durch die zum Glück recht umfangreiche Natur rund um die Schule, 

nicht selten bis vor unsere Haustür) ausfällt?" - "Öh nein, waru..." Zack,

aufgelegt. Sicher, war ja alles geklärt :-p

Danach stand eigentlich der Vorratsraum auf der Liste, aber dort

bin ich unglücklicherweise als erstes über zwei Lampions gestolpert, 

die eigentlich schon seit gestern in unseren Fenstern hängen sollten,

als Ersatz für den nächste Woche ausfallenden Martinsumzug.

Ich bastele also recht improvisiert aus vorhandenem Material

eine Lama-Laterne sowie eine kleinere, optisch passende 

und hänge beide auf. Und zack, schon ist es Zeit, das erste

Kind wieder abzuholen.


12.15 Uhr: Ich sammle die Missi und den Nachbarskumpel an der

Schule ein und lerne auf der Rückfahrt von eben diesem, dass "die 

Schulen jetzt auf jeden!! Fall wieder geschlossen werden. Das weiß ich

sicher, das hat xy-Youtuber-keine-Ahnung-noch-nie-gehört gestern 

erzählt, das hat nämlich die Bildzeitung geschrieben!!" Ich atme

tief und die Heimfahrt dauert dann noch exakt lange genug, 

dass der Nachbarskumpel jetzt auch weiß, warum die Blödzeitung

keine seriöse Quelle ist, schon gar nicht in Verbindung mit

Youtube. Wat mut, dat mut ;-)


13 Uhr: Für die Missi finden sich zum Glück noch leckere

Reste von gestern im Kühlschrank und für mich eine 

Tiefkühlpizza, die genau das ist, was ich heute brauche.

Ordentliches Essen gibt es dann nachher für die Große, das

arme mittagessenlose Kind... Jetzt erst mal eine ausgedehnte

Mittagspause für uns beide, bevor es weitergeht.

Ich habe noch ein Buch auszulesen.


15 Uhr: Die Missi macht Hausaufgaben und ich werde mal schauen,

ob ich vielleicht ein bisschen Laub im Garten wegschaffe. Das geht 

auch ohne Bücken und die Sonne scheint inzwischen wie 

verrückt. Muss man ja ausnutzen... Vorher aber schnell noch

mal die Nachrichtenlage checken (Wie lange zur Hölle kann man

brauchen, um Stimmen auszuzählen!?) und schauen, ob die 

neuesten Zahlen vom Gesundheitsamt schon da sind. (Nein. Dauert

auch jeden Tag länger.) Seit gestern werden eh nur noch Übersichten 

veröffentlicht, weil inzwischen so viele Schulen und Kitas betroffen sind, 

dass sie nicht mehr einzeln aufgeführt werden. Aber Schulen sind ja keine 

Treiber der Pandemie, danke für nichts.... Und passend dazu die 

Tagesschau: "Deutlich mehr Fälle bei Schülern." 

No shit Sherlock!

Die Große vermeldet in dem Zusammenhang, die 13er seien heute

coronabedingt komplett nicht anwesend gewesen, weswegen das

heutige Vor-Abi verschoben werden musste. Morgen kämen sie

aber alle wieder. Ja. Das klingt alles.... logisch.



16 Uhr: Laub harken war nur so mittelerfolgreich, dafür habe ich inzwischen
aber die Große und eine Freundin von der Schule abgeholt. Dabei entspinnt
sich eine Coronadiskussion, im Zuge derer sich herausstellt, dass auch 
die Freundin und ihre Familie im Auto jetzt Maske tragen, wenn 
zusätzlich noch jemand anderes mitfährt (btw. steht das übrigens hier auch
in der neuen Corona-Verordnung so). Danke, Schätzchen, dass Du das 
erzählst, genau die Diskussion hatten wir hier nämlich die Tage noch
mit den Kindern... Immer einfacher, wenn andere das genauso 
handhaben. Zuhause gibt es erstmal Essen für das ausgehungerte
Kind - "Würstchen im Grünen", ein Gericht, das es aus der 
Beikosteinführung bis in die Familiendauerbrenner geschafft hat ;-)
Ein Spinat-Hirsebrei mit Schmandklecks und Würstchen -
vegetarischen inzwischen, aber tatsächlich ist das eine der
sehr wenigen Ausnahmen, wo die Große auch die Fleischvariante
essen würde... Die Missi lernt Vokabeln, die Große ruht sich von
ihrem langen Tag aus und ich nehme mein neues Fitbit in 
Betrieb, das alte hatte dieser Tage endgültig den Geist 
aufgegeben.

18 Uhr: Es klingelt und vor der Tür liegt ein Päckchen, das ich
nicht bestellt habe. Das ist nicht das erste Mal, irgendwie scheint mein
amazon-Account hier neuerdings von den Kindern als eine Art 
Selbstbedienungsladen verstanden zu werden. Jetzt denke ich 
wieder dran und ändere mein Passwort, bevor ich überhaupt
auspacke *ätsch* Es sind übrigens Einwegmasken in 
apartem Schwarz, nett anzusehen, aber noch nicht mal mit CE-Zeichen, 
von allem anderen ganz zu schweigen. 
Hallo Masken, bye Masken.
Dieses sinnlose Hin- und Hergeschicke, das macht mich ganz
wahnsinnig. Was für ein überflüssiger Scheixx...
Zum Abreagieren putze ich noch eine Runde, die Schwindelei ist
merklich besser seit dem Mittag, aber keinesfalls weg. Trotzdem, 
den Schwung muss man nutzen!

19 Uhr: Der Mann ist zuhause und verschwindet als erstes 
mit der Missi in der Infrarotkabine. Er zum Runterkommen, sie 
zum Vokabellernen. Die Große ist auch da und porchiert Eier.
Gibt es dann zusammen mit den Hirseresten als Abendbrot.

20 Uhr: Wir schauen Nachrichten, aber es ist zeitweise wirklich schwer,
zu folgen, weil alle durcheinanderschnattern. Was das amerikanische
Wahlrecht angeht, sind die Kinder jetzt jedenfalls fit. Auch im Vergleich 
zum hiesigen. Letzteres kennen sie allerdings schon länger, schließlich 
darf die Große im nächsten Jahr schon wählen - sehr zu ihrer
Befriedigung gibt es dann auch direkt mal Land- und 
Bundestagswahlen. 
In meinem Blickfeld steht übrigens immer noch der Bügelkorb,
irgendwas muss da schiefgelaufen sein. Jetzt allerdings hat da
auch niemand von uns mehr Lust drauf...
Wir machen lieber Feierabend - die Große geht
lernen, die Missi telefoniert mit ihrer Freundin und der Mann und
ich werden mal schauen, ob wir noch was Nettes
im Fernsehen finden. Ein neues Buch habe ich zum
Glück auch schon am Wickel!

1 Kommentar:

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